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Sich gegenseitig hören, um gehört zu werden / BDA Dialog der Städte – Zweite Ausgabe

10. Juni 2022

Vier Jahre nach dem ersten Treffen setzt der BDA Anfang Mai in Köln den Dialog der Städte fort; zwölf Zentren sind vertreten für einen länderübergreifenden Austausch zu zentralen Fragen: Wie wollen wir uns in den großen Städten zukunftsfähig aufstellen? Wofür stehen wir? Wie bringen wir das in die Welt? Und konkret: Brauchen wir mehr horizontale Vernetzung im BDA, so dass wir besser voneinander lernen und gehört werden können?

Legitimation durch Verbund

Zur Illustration, wie sich Verbandsarbeit in politische Gremien einbeziehen lässt, berichtet Moritz Kölling über den Städtebaubeirat in Frankfurt. Seit den 50er Jahren operiert dieser als bewährtes und unabhängiges Gremium aus AIV, BDLA und BDA. Kürzlich um weitere Institutionen und Verbände erweitert, umfasst er 23 Mitglieder und gibt Empfehlungen zu Entwicklungsstrategien und –konzepten. „Seine Stellungnahmen finden Beachtung in der Presse. Die Legitimation unseres Standpunktes ist höher, wenn im Verbund gesprochen wird“, so Kölling.

Dass Inhalte verhallen, ist eine allseits geteilte Erfahrung: „Verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre“, bringt es Heiko Kuppardt aus Leipzig auf den Punkt. Ausdauer und Kontinuität sind erforderlich, um persönliche Beziehungen und Vertrauen aufzubauen. „Steter Tropfen höhlt den Stein, es gilt dranzubleiben und sich immer wieder eine Relevanz zu erarbeiten,“ resümiert Andrea Wallrath vom BDA Köln.

Schaufenster BDA

Eine gute Praxis, Inhalte einer breiteren Öffentlichkeit zuzutragen, ist der Innenstadtdialog Hannover, vorgestellt von Patrik Nilsson. Der BDA Hannover unterstützt aktiv das Programm der Stadt zu der agilen, experimentellen Umgestaltung der City. Auch andernorts hilft die Vernetzung des BDA mit anderen Akteuren der Baukultur, die Wahrnehmung von Architekturthemen zu erhöhen. Welche Rolle die Geschäftsstelle dabei spielt, dazu hat jede Stadt ihre eigene Lösung, aber für alle gilt, was Moritz Kölling feststellt: „Außenwirkung zu entfalten, das braucht viel Ressourcen, Kraft und Arbeit. Es aktiviert aber auch die Mitglieder.“

BDA Köln
BDA Köln
BDA – Dialog der Städte – am 6.5.2022 im Institut francias in Köln

Best practice aus Flandern

Der Impulsvortrag „Architects in times of ecosystem collapse“ von Leo Van Broeck führt zur zentralen Frage: Wofür stehen wir? Was er inhaltlich präsentierte, hat große Nähe zu dem BDA Positionspapier „Haus der Erde.“ Doch Van Broeck ist mehr als ein Architekt mit gesellschaftlicher Verantwortung und Weitsicht. Er war von 2016 bis 2020 „Vlaamse Bouwmeester” – staatlich bestallter Regierungsarchitekt, also oberster Lobbyist für Baukultur in Flandern qua Amtes – und konnte so seine Fachkompetenz direkt auf der Entscheidungsebene einbringen.

Der absehbare Kollaps des Ökosystems fordert auch von den Architekt*innen eine radikale Abkehr von bisherigen Denk- und Verhaltensmustern. Ursache-Wirkungsrelationen müssen wieder direkt in den Fokus, um daraus politisches und praktisches Handeln abzuleiten. Auch die Rolle der Architekt*innen in der Gesellschaft ist vorurteilslos zu hinterfragen. Leo Van Broeck hat seine Amtszeit als Vlaamse Bouwmeester genutzt, um Korrekturen am Selbstbild des Berufstandes anzubringen: Architekt*innen sind Sachwalter gesellschaftlicher Interessen und als solche Mittler zwischen Kapitalgeber, Bauherr und Nutzern. Sie müssen öffentlich darum kämpfen, in ihrer Kompetenz für gute Gestaltung wahrgenommen zu werden und ihre wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen.

In Flandern sind sehr niederschwellige Qualifizierungsverfahren (Open Call) für die Teilnahme an Wettbewerben – das berühmte A3-Blatt – fester Bestandteil der öffentlichen Vergabepraxis. Diese finden mit einer geringen Teilnehmerzahl statt und zielen auf einen konzeptionellen Lösungsansatz, ohne mit Detail- und Umsetzungsaspekten überfrachtet zu sein. Mit einer angemessenen Honorierung werden sie dem erforderlichen Engagement und Zeitaufwand einer spezifischen Planungsaufgabe gerecht.

Strukturfrage Tannenbaum

BDA-intern ist an der vertikalen Durchlässigkeit zu arbeiten, etwa um vordringliche Themen aus der Landesversammlung besser in der Bundesvorstandssitzung platzieren. Auch wird angeregt, im Gefüge des BDA Gewichtungen zu verändern: Der Verband sollte dort stark aufgestellt sein, wo viele Mitglieder aktiv sind und große Institutionen öffentliche Planungsaufträge vergeben, um dort als Lobby für Bau- und Planungskultur zu wirken – in den großen Städten. „Wir brauchen eine starke regionale Präsenz, um in der Lage zu sein, Druck aufzubauen auf Politik und Verwaltung,“ ist die Haltung von Reinhard Angelis.

Im Plenum sind die Sichtweisen vielfältig, zum Beispiel von Leipzig aus: „Wir in Sachsen schaffen es als Landesverband durchaus, an die Politik heranzukommen,“ so Heiko Kuppardt. Ein Nerv ist getroffen, auch Stimmen aus NRW selbst formulieren, dass die Multizentralität im Bundesland den Informationsfluss untereinander hemmt und eher Konkurrenz statt Kooperation schafft.

Fortsetzung folgt

Der Nutzen von horizontalem Austausch unter den großen Städten liegt auf der Hand, wenn der kollegiale Blick von außen das Nachdenken über die nordrheinwestfälische Kleinstaaterei neu anregt. Ein gemeinsames Positionspapier kommt am Ende nicht zustande; als Resümee lässt sich aber festhalten, dass eine stärkere Quervernetzung zur Sichtbarkeit des BDA beiträgt. Es besteht ein großes Bedürfnis, den Austausch zu verstetigen, und so wird die Reihe fortgesetzt, in einem Rhythmus, der noch festzulegen ist.