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Appell zur Neubewertung des Bebauungsplans und Bauprojektes „Im Rosenfeld“ Bonn-Buschdorf

15. Januar 2020

Appell zur Neubewertung des Bebauungsplans und Bauprojektes „Im Rosenfeld“ Bonn Buschdorf

Klimanotstand, Mitteilungsvorlage, Baulandbeschluss, Aufstellungsbeschluss

Nachrichtlich an alle Ratsfraktionen sowie Herrn Stadtbaurat Helmut Wiesner

 

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Sridharan,

wir wenden uns als Mitglieder und Freunde des BDA an Sie, um uns dafür einzusetzen, den B-Plan „Im Rosenfeld“ noch einmal zu überdenken und zu ändern.

Der jüngst verabschiedete B-Plan wurde vor Jahrzehnten entwickelt, als man noch von einem Rückgang der Bevölkerungszahlen ausgehen musste. Außerdem waren der Klimawandel und dessen Folgen sowie der Umgang mit Ressourcen noch kein Thema in der Breite der Stadtgesellschaft. Auch vor dem Hintergrund des vom Rat der Stadt Bonn in diesem Jahr beschlossenen Klimanotstands liegt eine historisch noch nie da gewesene Ausnahmesituation vor, die ein außergewöhnlich klares Statement des Oberbürgermeisters und der Verwaltung verlangen und einen neuen Aufwand rechtfertigen.

Wir appellieren an Sie, Ihre eigenen Vorgaben und Worte ernst zu nehmen. Nutzen Sie alle Handlungsoptionen, wie Sie es in Ihrer aktuellen Mitteilungsvorlage selbst ankündigen:

Mitteilungsvorlage DS 1912433 zur Wohnbaulandaktivierung wegen Bevölkerungswachstum:

„Bonn ist eine wachsende Stadt. Bis 2040 geht die amtliche Statistik (it.nrw) davon aus, dass Bonn ausgehend vom Jahr 2018 ein potenzielles Einwohnerwachstum von 12,1 % auf dann 364.834 Einwohner aufweisen könnte. Begründet wird diese Entwicklung vor allem durch regionale und überregionale Wanderungsgewinne, von denen Bonn als wirtschaftlicher Wachstumsmotor der Region profitiert. …

…Zur Deckung des aus dem Bevölkerungswachstum entstehenden dringenden Wohnraumbedarfs muss daher insbesondere die Nachverdichtung im Zuge der Innenentwicklung forciert werden, um auf die Ausweisung von Flächen im Außenbereich so weit möglich verzichten zu können und somit den Flächenverbrauch möglichst klein zu halten. Im Stadtgebiet besteht jedoch nur noch ein begrenztes Angebot entsprechender Wohnbaupotentialflächen.

Um das Angebot an Wohnbauflächen zu erweitern, sollen daher alle Handlungsoptionen genutzt werden. Ziel ist es, durch eine Erhöhung der Anzahl von abgeschlossenen Bebauungsplanverfahren die planungsrechtlichen Grundlagen für ca. 250 zusätzliche Wohneinheiten pro Jahr zu schaffen.“

(Siehe auch: Beschluss Baulandmodell 1613742AA3)

Wir nehmen Bezug auf die Denkschrift „Haus der Erde“, die auf dem diesjährigen BDA Tag in Halle entstanden ist. Wir fügen sie unserem Schreiben bei, weil diese Leitlinien für eine klimagerechte Stadt bei dem Neuentwurf des Projektes „Im Rosenfeld“ neben Ihren eigenen Zielvorgaben (s.u.) einen Leitfaden bilden.

Zitat der BDA Denkschrift: „ Es ist genug. Täglich verstoßen wir, verstoßen Gesellschaft und Politik gegen den Erhalt unserer Lebensgrundlagen. Mit der westlichen Lebenseinstellung, alles jederzeit machen und haben zu können, ist es vorbei. Unser Leben muss sich an einem neuen, ökologisch vertretbaren Maß ausrichten.“ (aus der BDA Denkschrift „Haus der Erde“ Mai 2019)

Die Planungen für das Baugebiet „Im Rosenfeld“ passen derzeit weder zu dem sehr begrüßenswerten Text Ihrer Mitteilungsvorlage noch zu dem Auszug aus der Textpassage „Haus der Erde“. Denn es sollen auf 6 ha nur 280 Wohneinheiten geschaffen werden. Der Hauptfocus liegt auf Reihen- und Doppelhäusern. Dabei werden nur 15 bis 30 Wohneinheiten/Hektar geschaffen. Lediglich die Geschosswohnungsbauten werden öffentlich gefördert. Diese Aufteilung kommt aus dem Denken:“ jedem sein Traum vom Eigenheim – das Land ist unendlich“.

Hochwertiger- und sozialer mehrgeschossiger Wohnungsbau muss dagegen zwingend Vorrang bekommen, denn es besteht großer Bedarf an bezahlbarem Wohnraum: es ist wenig hilfreich, wenn Einzel- Doppel- oder Reihenhäuser geplant werden, die zu überteuerten Preisen angeboten-, viel Land verbrauchen und relativ wenig Wohnraum bringen, wie in anderen Stadtteilen bereits zu sehen ist.

Wir sind uns als Architekten und Stadtplaner sehr sicher, dass auf den 6 ha „Im Rosenfeld“ mindestens 400 bis 600 Wohneinheiten oder mehr in nachhaltiger Qualität realisiert werden können. Mehr Nutzfläche schließt dabei eine bessere ästhetische Qualität keineswegs aus. Es gibt viele Städte mit vergleichbaren Problemen, die in diesem Sinne planen: so in Wien (1), Freiburg (2), Kopenhagen, Rotterdam u.a. Warum geht das nicht auch in Bonn, was hindert uns daran auf unsere Probleme angemessen zu reagieren?

Zitat der BDA Denkschrift: „Damit ökologische Verhaltensweisen akzeptiert und praktiziert werden, müssen sie vorstellbar und erlebbar werden – sinnlich und wirklichkeitsnah. Architektur kann in Stadt und Region ein starker Motor für ein ökologisches Umdenken sein, das nicht als Verzicht, sondern als Gewinn sowohl für den Einzelnen als auch für die Gesellschaft erfahrbar wird.“ (aus „Haus der Erde“)

Für uns sind folgende Punkte die Grundlage moderner Wohnungsbauplanung:

  1. Finanzierungsform: eine am Gemeinwohl orientierte Architektur entsteht vermutlich nicht durch börsennotierte Bauträgergesellschaften, sondern eher durch genossenschaftliche Modelle oder Bauherrengemeinschaften und andere Wirtschaftsformen wie nicht profitorientierte Gesellschaften. (die Stadt verzichtet auf einen Teil des Kaufpreises und senkt dagegen langfristig die Sozialkosten)
  2. Wohnungsmix: Themen wie Kleinstwohnungen, Gemeinschaftswohn- oder Clusterwohnen (Kleinstwohnungen in Wohngemeinschaftsformat), Angebote für Jung und Alt, gemischte Konzepte für Familien und Alleinstehende, Pflegewohnungen, Familienwohnungen gemischt nach frei finanzierten und geförderten Wohnungen. (um Gettobildungen zu vermeiden)
  3. Ressource Boden: der schonende Umgang mit dem Boden fordert eine höhere Geschossigkeit und weniger Versiegelung der Bodenfläche durch Straßen. Unter dieser Vorgabe sollte ein Architekten-/Investorenwettbewerb in geeigneter Form stattfinden. Es könnte eine Themenvielfalt durch unterschiedliche Investoren/Architektengespanne gesetzt werden.
  4. Nachhaltige Baustoffe: bevorzugt CO2 neutrale Baumaterialien, wie z.B. Holzbau. Auch der mehrgeschossige Holzbau hat an Bedeutung gewonnen. Beispiele gibt es auch in Bonn, aber auch weiter ausgeprägt in Österreich.
  5. Gemeinschaft gegen Einsamkeit: ein Gemeinschaftshaus mit Gemeinschaftsangeboten, Gemeinschaftsplätze in den Außenanlagen mit Aufenthaltsqualität, ein Jugendzentrum, Konzepte gegen die Einsamkeit, Stadtteilcafe`, Carsharing, Leihen statt Kaufen etc. haben bei größeren Projekten eine Chance.
  6. Verkehr: ein zeitgemäßes Verkehrskonzept durch zentrale Stellplatzanlagen wie Parkhäuser mit Solaranlagen und Ladestationen für PKW und Fahrräder ermöglichen ein weitgehend autofreies Wohnen.
  1. Energie: ein klimaneutrales Energiekonzept auf der Basis von regenerativen Energieträgern, Solardächern, einem Minikraftwerk, Passivhausstandard.
  2. Außenbereiche: naturnahe Außenanlagen mit der Möglichkeit der Selbstversorgung, naturnahe Spielmöglichkeiten für Kinder. Gefahrlose Bewegungsmöglichkeiten für Kinder. Nach ökologischen Gesichtspunkten gestaltete Außenanlagen.

Zitat der BDA Denkschrift: „Was wollen wir hinterlassen? Wir haben nur diese eine Welt. Für ihren Erhalt tun auch wir als Architektinnen und Architekten, als Stadtplanerinnen und Stadtplaner zu wenig.“

Sehr geehrter Herr Sridharan, wir müssen uns den neuen Herausforderungen stellen und dürfen es nicht zulassen, dass die wenigen noch für den Wohnungsbau in Bonn vorhandenen Flächen durch eine nicht mehr zeitgemäße Planung falsch genutzt werden.

Lassen Sie uns diese Chance nicht vertun. Wir fordern Sie auf: nutzen Sie die Potentiale Ihres Amtes um die Türen zu öffnen für einen Neuanfang „Im Rosenfeld“ und gerne auch in anderen Bereichen der Stadt.

Mit freundlichen Grüßen, Jürgen von Kietzell
(Architekt, Vorstandsmitglied des BDA Bonn-Rhein-Sieg)

Unterstützer dieses Appels:

Prof. Dr. Ing. Theo Kötter, Universität Bonn, Professur für Städtebau und Bodenordnung

Prof. Dipl.-Ing. Benedikt Stahl, Dekan FB Architektur, Lehrgebiet Architektur und Stadtraum an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, Alfter, Partner im Atelier Fritschi+Stahl, Düsseldorf