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Nachbericht: Bonn steigt um: City-Hub Ramersdorf

7. Oktober 2019

Es klingt so einfach, Bonn steigt um, aber noch gibt es viel zu viele „abers“, als dass die Stadt wirklich in Bewegung kommen würde. Ein Bonner Problem, von dem sich auch der im Rahmen der Landesreihe organisierte Abend des BDA Bonn-Rhein-Sieg nicht ganz befreien konnte. Rational-kritisch aber nicht vollkommen abweisend klangen die Stimmen aus Politik und Verwaltung, die hier gehört wurden, doch die Lokalpresse, die bereits am nächsten Tag berichtete, machten allein die Bürgersorgen und die Amtsskepsis zum Thema. Doch so negativ sollte dieser Diskurs nicht abschließend betrachtet werden, denn die ihm zugrunde liegenden Ideen und Konzepte, sind noch so abstrakt, dass vom eigentlichen Bauen gar nicht die Rede ist. Vielmehr geht es darum neue Wege aufzutun und ein Umdenken in der Stadt anzustoßen.

©Andreas Røhl, Jan Gehl Architects

Wie können Städte mit Aufenthalts- und Lebensqualität entwickelt werden?

Bonn wächst

Aber gehen wir noch einmal zurück zur Ausgangssituation. Die Stadt Bonn wächst, sie ist ein äußerst populärer Bürostandort und ebenso beliebt zum Wohnen. Doch können die bestehenden Bedarfe schon heute kaum mehr gedeckt werden. Hinzu kommt, dass den rund 325.000 Bonner Einwohnern täglich etwa 130.000 Einpendler hinzuzurechnen sind, ein Aufkommen, dem das Verkehrsnetz nicht gewachsen ist. Dass die Staus, die morgens und abends die Stadt und ihre Peripherie lahmlegen, sich mit einem Wachstum der Stadt noch weiter verschärfen werden, ist offensichtlich. Viele Fragestellungen betreffen das ehemalige Regierungsviertel, das sich mit Konzernzentralen, großen Unternehmen, dem UN Campus und dem World Conference Center Bonn zu einem prosperierenden Stadtteil entwickelt hat, der mit circa 1,2 Millionen qm Bürofläche der mit Abstand wichtigste Büroteilmarkt in Bonn ist. Doch der mangelnde Nutzungsmix und das hier generierte Verkehrsaufkommen stellt die Stadt vor Probleme, so dass sie im Herbst 2018 eine Entwurfswerkstatt durchgeführt hat und vier Büros (Cityförster, Hannover, DeZwarteHond, Köln, RHA- Reicher Haase Assozierte, Aachen und Urban Catalyst, Berlin) beauftragte, Konzepte zu erstellen, wie das ehemalige Regierungsviertels zu einem lebendigen Stadtteile mit nutzungsdurchmischten Quartieren und Bezug zur Rheinaue auszubauen sei. Favorisiert wurde das Konzept von Cityförster, das auch ein interessantes Mobilitätskonzept beinhaltete. Definiert waren darin zunächst vier RegioHubs in der Peripherie, die die Einpendler an leistungsfähigen Stadtbahnstrecken vor den Toren der Stadt abfangen sollen. Einer davon ist der derzeitige S-Bahn-Haltepunkt „Ramersdorf“, dessen Potential nun auf Einladung des BDA Bonn-Rhein-Sieg diskutiert werden sollte.

 

©Cityförster, Hannover
©Cityförster, Hannover

Vier in der Stadt verteilte CityHubs sollen den Umstieg vom Auto auf die Angebote des Umweltverbundes ermöglichen. Als Mehrwert für die Pendler könnten sie im 24-Stundenbetrieb mit weiteren Funktionen Zentrenfunktionen übernehmen und attraktive Stadträume bilden.

 

Der letzte Schritt vor dem ersten

Zum Auftakt der Veranstaltung, die im Foyer des nahegelegenen Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt stattfand, präsentierten Masterstudierende der TH Köln (Fakultät für Architektur – Institut für Gestaltung CIAD) unter Leitung von Prof. Jochen Siegemund Projektentwürfe für den CityHub Ramersdorf. Ihre Aufgabe war relativ frei formuliert worden: „Das Haus (zunächst als Hochhaus angedacht) soll einerseits Identität, Raum und Innovationspace für kreatives Arbeiten und flexibles Wohnen, für Startups und Unternehmen der Bonner Digitalwirtschaft, andererseits auch Platz für Mobilitätsanbieter und Kommunikation bieten … und sich durch sein architektonisches und städtebauliches Konzept in der Stadt angemessen einfügen oder abheben, sich innen- und außenräumlich vernetzen“. Die Antworten der Studenten waren vielfältig und boten ein breites Bild von konventioneller Investorenarchitektur, gewaltigen brutalistischen Strukturen und smarten Hochhäusern. Siegemund nannte die Entwürfe in ihrer Gesamtheit eine Ideenbank, denn offenbar ahnte er, dass die zum Teil großvolumigen Strukturen mit ihren an diesem Ort plötzlichen Höhen, insbesondere den Bürgern, Angst machen würden.

©BDA Bonn
©BDA Bonn

©BDA Bonn
©BDA Bonn

Projektentwürfe für den CityHub Ramersdorf, Masterstudierende der TH Köln (Fakultät für Architektur – Institut für Gestaltung CIAD) unter Leitung von Prof. Jochen Siegemund 

Beispiel Kopenhagen

Doch der nachfolgende Vortrag von Andreas Røhl, der seit 2015 als Sozialwissenschaftler bei Jan Gehl Architects in Kopenhagen arbeitet, lenkte den Fokus schnell wieder auf eine andere Ebene. Im Zentrum seines Beitrags stand das Umdenken, das einer neuen alternativen Mobilität (und allen nachfolgenden Baumaßnahmen) vorausgehen muss. Von 2007-15 verantwortete und begleitete er als Direktor das Fahrradprogramms der Stadt Kopenhagen, 2014/15 dann als Direktor für Mobilität und öffentlichen Raum eben jene erfolgreiche Bewegung weg vom Auto hin zu Fahrrad und ÖPNV, die viele nun neidvoll auf die dänische Hauptstadt blicken lassen. Wir alle kennen die Bilder der unverzagten Radfahrer, die sich in einer dichten Traube vollkommen unbeirrt durch den Schneesturm kämpfen. Dass schlechtes Wetter ist also kein Argument gegen alternative Verkehrskonzepte, bekräftige Andreas Röhl mit zwei Diagrammen, die zeigten, dass es in Bonn nicht nur wärmer, sondern auch trockener ist als in Kopenhagen.

©Andreas Røhl, Jan Gehl Architects
©Andreas Røhl, Jan Gehl Architects

Stadt- und Straßenentwicklung gestern und heute am Beispiel Kopenhagen.

Andreas Røhl kennt die Zahlen, weiß um Schwierigkeiten, brachte aber auch Lösungen und Anreize mit. Mobilität ist für Røhl mehr als der Weg von A nach B, der zumeist sehr zielorientiert zurückgelegt wird, denn ihm zeigte die Erfahrung, dass die Bewegung im öffentlichen Raum durch die eingeschränkte Nutzung des privaten PKWs, allen Beteiligten einen Zugewinn an Lebensqualität bringen kann. Statt verärgert im Stau zu stehen, spürt man den Wind auf dem Fahrrad, hört die Vögel zwitschern, erlebt eine tolle neue Brücke.

 

©Andreas Røhl, Jan Gehl Architects

 

Wie hat Kopenhagen diesen Wechsel geschafft, war eine Frage, die eigentlich bei jeder Veranstaltung dieser Art gestellt wird. Und Røhl erläuterte, dass die Veränderung politisch gewollt war, und dass all jenen, die umsteigen wollten oder sollten, eine gute und sichere Infrastruktur, schöne Plätze und Parks als Alternative angeboten wurde. Zudem sei es in Dänemark einfacher, die Menschen von den Vorteilen des Verzichts auf das Auto zu überzeugen, da es keine nationale Autoindustrie mit starker Lobby gebe, wie in Deutschland.

 

Wie kann der Umstieg in Bonn gelingen?

Und damit leitete er zu der von Ines Knye moderierten Fragerunde über, in der Rolf Beu (Vorsitzender Planungs- und Verkehrsausschuss der Stadt Bonn), Prof. Dr. Verena Brehm (Cityförster Hannover), Anja Wenmakers (Geschäftsführerin SWB Bus und Bahn und SWB Mobil), Helmut Wiesner (Stadtbaurat der Stadt Bonn) Antworten darauf suchten, wie denn nun die Bonner zum Umsteigen zu bewegen seien. Eine konkrete Antwort konnte Wiesner nicht auf die Frage geben, wie sich die Stadtplanung auf den Bevölkerungszuwachs und den steigenden Flächenkonsum vorbereite, er verwies auf das enge räumliche Korsett, in dem die Stadt stecke, die nun versuche die Binnenentwicklung auf Konversionsflächen und mit dem Ersatz und der Verdichtung in die Jahre gekommene Siedlungen voranzutreiben, um Wohnraum zu schaffen. Zudem stimmte er zu, dass die Mobilität in Stadt und Umland neu gedacht werden müsse.

©Uta Winterhager

Das Podium v.l.n.r.: Helmut Wiesner (Stadtbaurat der Stadt Bonn),  Anja Wenmakers (Geschäftsführerin SWB Bus und Bahn und SWB Mobil), Prof. Dr. Verena Brehm (Cityförster Hannover), Rolf Beu (Vorsitzender Planungs- und Verkehrsausschuss der Stadt Bonn)

 

Zuständig dafür ist unter anderem auch Anja Wenmakers, die darauf verwies, dass die Kommunen es alleine nicht schaffen können, den ÖPNV zu stärken und auszubauen und die Bonner vermehrt zum Umsteigen zu bewegen. Aber es gebe Mittel aus Berlin und Brüssel. Sie sieht, dass der Verkehrsraum anders aufgeteilt sein und das Fahrrad in Wegeketten mit einbezogen werden muss. Doch die Dominanz des privaten Autoverkehrs auf den Straßen, könne, so Beu, nur mit großer Überzeugungsarbeit beendet werden. Hier unterstütze ihn auch Verena Brehm, die entsprechend des von Cityförster erarbeiteten Konzepts auf einer abstrakten Ebene argumentierte und eine neue Mobilitätskultur als Voraussetzung für das Umsteigen in den Köpfen forderte.

Die Fragestunde schwankte immer wieder zwischen ganz konkreten Problemen – lässt sich eine Bundesfernstraße überhaupt partiell zum Fahrradweg umwidmen? Wer soll die CityHubs denn bauen? Sind die Nachbarkommunen eigentlich bereit, Flächen für park & ride zur Verfügung stellen? Können wir die Einpendler zu Einwohnern machen? – und Spekulationen über das derzeitige und zukünftige Verhalten von Bürgern und Pendlern und leider auch diese seltsame Bonner Diskussionskultur, in der mutige und unkonventionelle Ideen (Wasserbus, Seilbahn) viel zu schnell wieder zerredet werden.

Wie geht es nun weiter in Bonn? Helmut Wiesner erläuterte, dass die für das Regierungsviertel aufzustellenden Bebauungspläne Bezug auf die Rahmenplanung von Cityförster nehmen werden.

Der Bonner BDA Vorstand setzt sich immer wieder mit großer Beharrlichkeit für einen freieren Diskurs über die Zukunft  von Stadt und Region ein und es bleibt zu wünschen, dass von diesem Abend, nicht die große Zahl der „abers“ in den Köpfen hängen bleibt, sondern die Tatsache, dass es für Bonn ein zukunftsweisendes Konzept gibt und dass es eine Stadt wie Kopenhagen gibt, in der Umdenken und Umsteigen durch den Willen aller auf einmal ganz normal geworden sind.

Uta Winterhager

 

Nachbericht zur Veranstaltung am 30.09.2019 in Bonn im Rahmen der Landesreihe „Stadt in Bewegung – mobil ökologisch lebenswert“ des BDA NRW